Lebererkrankungen bei Kindern – wenig öffentliches Interesse
Lebererkrankungen bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu: Nach Angaben der Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) ist jedes fünfte Kind in Europa betroffen. Die ESPGHAN sieht insbesondere eine Zunahme bei Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen aus dem Bereich der pädiatrischen Hepatologie wie zum Beispiel der Adipositas mit Fettleberhepatitis. Trotzdem stehen Lebererkrankungen bei Kindern und Jugendlichen nicht im Fokus des öffentlichen Interesses. Andere Krankheiten bei Kindern wie beispielsweise Krebs oder Herzerkrankungen haben eine hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit – Lebererkrankungen bei Kindern nicht. Doch es ist wichtig, diese möglichst früh zu diagnostizieren. Unbehandelt können die meisten der über 100 verschiedenen Lebererkrankungen bei Kindern chronisch werden und langfristig zur Entwicklung einer Leberzirrhose führen. Dieser narbige Umbau der Leber hat auch schon bei Kindern den Verlust von lebenswichtigen funktionierenden Leberzellen zur Folge. Wenn es zu einem zunehmenden Funktionsausfall der Leber bei einem Kind kommt, kann eine Lebertransplantation notwendig werden. Eine Lebertransplantation kann heute auch bei kleinen Kindern als lebensrettende Therapie mit gutem und anhaltendem Erfolg durchgeführt werden. Die ESPGHAN berichtet, dass allein in Österreich und Deutschland jährlich circa 150 Kinder eine Lebertransplantation brauchen.
Es gibt Lebererkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, die von der Symptomatik den Lebererkrankungen bei Erwachsenen sehr ähnlich sind, doch die meisten dieser Lebergesundheitsdefizite sind bei Kindern anderen Ursprungs. Häufig unterscheidet sich auch der Krankheitsverlauf von Lebererkrankungen bei Kindern von denen bei Erwachsenen.
Lebererkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sind in drei große Gruppen eingeteilt. Zur ersten Gruppe zählen die angeborene Fehlanlage der Gallenwege, der Gallenverschluss und andere Gallenwegserkrankungen. Die zweite Gruppe umfasst sämtliche Stoffwechselerkrankungen und in der dritten Gruppe werden die Entzündungen der Leber zusammengefasst.
Die Diagnose von Lebererkrankungen ist auch bei Kindern und Jugendlichen oftmals schwierig, da sie häufig kaum Beschwerden haben oder die Symptomatik so unspezifisch ist, dass diese eher harmlosen Erkrankungen ähneln. Länger anhaltende Symptome wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Wachstumsstörungen sollten immer Anlass sein, beim Kinderarzt die Leber-Blutwerte überprüfen zu lassen. Wie bei anderen Krankheiten sind auch bei Lebererkrankungen frühzeitige Diagnosen oft wichtig für erfolgreiche Therapien. Viele kindliche Lebererkrankungen können bei rechtzeitiger Diagnose gut behandelt werden. Neuartige Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, von denen auch Kinder und Jugendliche profitieren, sind in der Entwicklung.
Bei der häufig bei Neugeborenen auftretenden Gelbfärbung der Haut handelt es sich meistens um die harmlose „Neugeborenen-Gelbsucht“. Nur wenn diese Gelbfärbung der Haut länger als zwei Wochen andauert, sollte durch eine Blutentnahme getestet werden, ob es sich um eine Lebererkrankung oder beispielsweise einen Gallestau handelt.
Zu den am weitesten verbreiteten Lebererkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zählen beispielsweise die Gallengangsatresie, verschiedene Stoffwechselerkrankungen oder Autoimmunerkrankungen. Darüber hinaus sind Entzündungen der Leber durch Infektionen, vor allem mit Viren wie mit dem Hepatitis B- oder C-Virus möglich. Zur Behandlung der Hepatitis C bei Erwachsenen sind seit 2014 in Deutschland zahlreiche Medikamente zugelassen, die direkt in den Vermehrungszyklus des Virus eingreifen (sogenannte DAAs – Direct Acting Antiviral Agents). Die Heilungsraten dieser jetzt interferonfreien Tablettentherapien von acht bis zwölf Wochen Dauer sind sehr hoch, sie liegen in der Regel zwischen 90 und 100 Prozent. Seit 2019 sind verschiedene DAAs auch für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Hepatitis C im Alter von 12 bis 18 Jahren zugelassen. Im Vergleich mit Erwachsenen sind Virusinfektionen der Leber bei Kindern und Jugendlichen viel seltener. Obwohl die Verläufe der Lebererkrankungen bei Kindern und Jugendlichen denen der Erwachsenen manchmal ähneln, gibt es oft auch andere (schwerere oder leichtere) Verläufe.
In Deutschland gehört die Impfung von Säuglingen gegen Hepatitis B zu den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Standardimpfungen. Für Kinder wird meistens ein Sechsfach-Kombinationsimpfstoff eingesetzt, mit dem gleichzeitig gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, das Bakterium Hib (Haemophilus influenzae Typ b), Kinderlähmung (Polio) und Hepatitis B geimpft werden kann. Manche Eltern fragen sich, warum bereits Säuglinge gegen Hepatitis B geimpft werden sollen, obwohl als wichtigster Übertragungsweg von Hepatitis B-Viren Geschlechtsverkehr eingestuft wird. Diese Impfempfehlung hat zwei Gründe: Diese Erkrankungen sind im Säuglingsalter zwar sehr selten, werden dann aber fast immer chronisch. Kommt es zu einer chronischen Entzündung, besteht ein erhöhtes Risiko für bindegewebsartige Veränderungen der Leber (Fibrose) oder Leberzirrhose. Vor allem bei einer bestehenden Leberzirrhose ist das Risiko für einen Leberzellkrebs deutlich erhöht. Der zweite Grund für die frühzeitige Immunisierung gegen Hepatitis B ist, dass Kinderärzte und Gesundheitsämter Jugendliche nicht mehr erreichen, um den wichtigen Impfschutz aufzubauen. Deswegen wird in Deutschland der sichere Weg gegangen, durch eine Impfung im frühen Kindesalter den notwendigen „Teenager-Schutz“ zu erreichen. Trotzdem sollte im Idealfall die Impfung nach 15 Jahren aufgefrischt werden.
Für eine eindeutige Diagnosestellung werden auch Ultraschall und weiterführende Tests herangezogen. Bei anhaltenden Leberproblemen erfolgt oft zusätzlich eine Gewebeentnahme unter Narkose, um das Lebergewebe des Kindes anschließend unter dem Mikroskop beurteilen zu können. Ein schmerzfreies Verfahren, mit dem sich das Ausmaß einer Leberschädigung bei Kindern frühzeitig abschätzen lässt, ist die Untersuchung mit dem Fibroscan. Das ist ein spezielles Ultraschall-Gerät, mit dem sich über Druckwellen die Elastizität der Leber bestimmen lässt. Die Untersuchungsmethode wird auch als Elastometrie bezeichnet und sie kann in Kombination mit der Bestimmung der Leber-Blutwerte in vielen Fällen eine Leberpunktion ersetzen. Die Untersuchungsmethode wird mittlerweile auch in vielen kindergastroenterologischen Zentren durchgeführt. Bei chronisch leberkranken Kindern eignet sich dieses schonende Verfahren vor allem zur engmaschigen Überwachung des Krankheitsverlaufs.
Für Kinder und Jugendliche ist im Falle einer bestehenden Lebererkrankung eine besondere Behandlung empfehlenswert. Diagnostik und Therapie von Lebererkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sollten immer bei einem Facharzt durchgeführt werden, der sich speziell auf die Betreuung von Kindern mit Magen-, Darm- und Lebererkrankungen spezialisiert hat. Die langfristige Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit einer Lebererkrankung erfolgt am besten in einem spezialisierten Zentrum.
Die Deutsche Leberstiftung bietet für Betroffene und ihre Angehörigen ein Informationsfaltblatt zum Thema „Lebererkrankungen bei Kindern“ an.
Aktuelle Presseinformationen der Deutschen Leberstiftung zum Thema Lebererkrankungen bei Kindern finden Sie hier:
Pilzsaison eröffnet: Deutsche Leberstiftung warnt vor erhöhter Gefahr von Lebervergiftungen durch giftige Pilze (02.09.2024)
Deutsche Leberstiftung zum Welt-Hepatitis-Tag: mit Aufklärung, Screening und Therapie die Virushepatitis eliminieren (22.07.2024)
World Liver Day: Deutsche Leberstiftung fordert verstärkte Aufklärung für Lebererkrankungen (15.04.2024)
Weltgesundheitstag: Deutsche Leberstiftung fordert zur Früherkennung von Erkrankungen der Leber auf (02.04.2024)
Deutsche Leberstiftung zum Tag der gesunden Ernährung: Auch für die Leber ist Ernährung ein „Top-Thema“ (01.03.2024)
Deutsche Leberstiftung informiert zum „Tag der Seltenen Erkrankungen“: auch die Leber kann betroffen sein (22.02.2024)
Lebertumoren – Prävention und Früherkennung: Deutsche Leberstiftung sensibilisiert zum Weltkrebstag 2024 (31.01.2024)
Deutsche Leberstiftung zum Jahreswechsel: So wird das neue Jahr lebergesund (27.12.2023)
Deutsche Leberstiftung: Warum das gemütliche Schlemmen in der Weihnachtszeit für die Leber oft sehr ungemütlich ist (27.11.2023)
Deutsche Leberstiftung zum Weltkindertag: „Jedes Kind braucht eine lebergesunde Zukunft!“ (13.09.2023)